Einfach leben – Ausgabe 1: Der beste ÖPNV der Welt

Transkript anzeigen

Corinna: Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe unseres Podcasts "Einfach Leben". Wir wollen auf einfache Art die große Politik aufs Bund, Europa und der Welt herunterbrechen auf die regionale Situation hier und ein Trier drumherum. Es ist wahnsinnig aufregend, ehrlich gesagt, oder Alf?

Alf: Doch, das ist es wirklich.

Corinna: Dass es jetzt so weit ist. Alf und ich haben uns in den letzten Monaten häufig zusammengesetzt und überlegt, wie können wir das machen. Und heute sind wir so weit, die erste Ausgabe aufzunehmen. Und wir könnten das nicht, wenn Christoph Rauland nicht da wäre. Christoph ist heute zum zweiten Mal aus Koblenz angereist. Christoph macht die Produktion für einen Podcast, der Grünzeugs heißt, den es schon länger gibt, von den Grünen aus Koblenz organisiert. Der hat viel Erfahrung und hat uns geholfen. Und ja, dieser Aufnahme würde heute nicht stattfinden, wenn Christoph uns nicht besuchen würde. Und deshalb danken wir ihm sehr. Ich habe Alf angesprochen, der sitzt neben mir. Ich habe nämlich vor ein paar Monaten mir überlegt, alle machen einen Podcast. Ich will auch einen Podcast machen. Aber ich will nicht alleine machen und habe mir überlegt, wer bietet sich an? Mit wem kann ich mir das gut vorstellen? Mit wem kann das locker funktionieren? Und dann habe ich an Alf gedacht. Alf ist den Trierern bekannt als Nachtwächter, als Gästeführer. Er kennt Trier von allen Seiten, kennt sich hier wirklich richtig gut aus. Alf ist Verkehrsexperte und er ist ein kluger und was mir am wichtigsten ist guter Mensch, der einen Blick hat für die wichtigen Themen unserer Zeit.

Alf: Ja, danke, Corinna. So viel Lobeshymne direkt am Anfang. Das tut richtig gut. Ja, wer ist Corinna? Eigentlich muss man sie gar nicht erklären. Sie sitzt neben mir. Sie ist unsere Bundestagsabgeordnete. Sie hat viele interessante Aufgaben im fernen Berlin zu erledigen und hin und wieder auch in Genf. Da kam sie gestern erst her und Corinna hat im Bundestag die bedeutsame Funktion der Obfrau, seltsamer Name, den gibt es nur in Deutschland, denke ich, die Obfrau im Petitionsausschuss der Grünen und sie ist die inklusionspolitische Sprecherin des Bundestages. Also damit ist sie eigentlich schon erklärt.

Corinna: Nicht des ganzen Bundestages, sondern mehr der Bundestagsfraktion. Wir wollen nicht übertreiben, Alf.

Alf: Egal, egal. Das ist schon mal viel. Und sie ist wahnsinnig nett und wahnsinnig angenehm. Also ich freue mich auf diesen Podcast genau wie Sie.

Corinna: Super schön. Ja, und wir haben ja länger überlegt, was heute unser Thema sein soll. Wir haben verschiedene Gedanken gehabt und irgendwann sind wir auf diesen Punkt gekommen zu sagen, wir wollen gerne den ÖPNV näher in den Blick nehmen. Und jetzt haben wir ein Nachbarland, das sich sehr hervortut diesbezüglich, bekannt geworden ist, überall durch den ÖPNV umsonst. Aber bevor wir unseren tollen Gast vorstellen, verweise ich noch mal auf Alf. Der hat nämlich Leute in den Blick genommen, die jeden Morgen nach Luxemburg pendeln.

Alf: Erzähl doch mal. Ja, ich habe mir überlegt, wie kommt man diesem Thema am nächsten? Da habe ich mir gedacht, viele fahren mit dem Auto. Also ich brauche einen Autofahrer, der soll sich mal richtig ordentlich beklagen. Und dann brauche ich einen ÖPNV Fahrer. Und weil ich schon einen Mann hatte, habe ich gedacht, na ja, eine ÖPNV-Fahrerin, eine Bus-Nutzerin oder eine Zug-Nutzerin wäre ideal. Direkt neben unserer Wohnungstür ist die Haltestelle nach Luxemburg, Nordallee in Trier. Und da bin ich dann hin und her gegangen und habe dann eine entsprechende Person tatsächlich gefunden. Hören wir uns doch einfach die beiden Stimmen mal an!

Ich arbeite seit über 30 Jahren in Luxemburg und Busfahren war für mich immer schwierig, weil meine Arbeitsstellen entweder schwer zu erreichen waren oder weil bei den Arbeitszeiten Flexibilität gefragt war. Das Pendeln mit dem PKW wurde die letzten Jahre durch die Zunahme an grenzüberschreitendem Berufsverkehr immer schwieriger. Wenn ich gerade Urlaubszeit ist, sind die Autobahnen überfüllt. Es wird sehr aggressiv gefahren und man verbringt zu viel Zeit damit, zur Arbeit zu fahren und abends nach Hause zu kommen. In meinem Fall sind das für 40-Kilometer-Distanz unter guten Bedingungen eineinhalb Stunden täglich, manchmal aber auch das Doppelte. Zudem sind tägliche Staus aufgrund von Unfällen, Baustellen und Verkehrsüberlastung leider die Regel geworden. Und das alles geht zu Lasten der Lebensqualität der Arbeitnehmer und der Arbeitsstandort Luxemburg verliert an Attraktivität. Mehr Homeoffice-Tage für die Grenzgänger statt der jetzt genehmigten 39 für 2024 würde die Verkehrssituation hier deutlich entspannen. Man kann den drohenden Verkehrskollaps nur verhindern, indem man die Straßen entlastet.

Corinna: Sehr spannend. Und wer ist die zweite Person?

Alf: Zweite Person? Die Zweite ist die Tanja. Die Tanja fährt jeden Tag mit dem Bus. Die hat das Problem nicht. Obwohl, wer mit dem Bus fährt, hat natürlich auf dem Weg nach Luxemburg auch diesen Stau. Und da werden wir nachher noch mit unserem Gast drüber sprechen.

Hey, ich bin die Tanja und fahre fünfmal in der Woche von Trier nach Luxemburg. Ich nutze die Linie 302, die hieß früher 117. Es ist für mich sehr bequem, weil ich nur 300 Meter neben der Haltestelle Nordallee in Trier wohne und in Luxemburg an der "Cloche d'Or" arbeite. Ich habe also eine Direktverbindung ohne Umstieg. Die Busse sind bequem und leise. Ich habe WLAN, kann im Bus recht vernünftig meine Arbeit vorbereiten oder Musik hören. Im Bus und alles ist okay. Na ja, mancher Fahrer ist gewöhnungsbedürftig. Ich wundere mich sehr, dass nicht viel mehr Pendler den Bus nutzen. Es geht ja recht schnell. Was mich stört, der Fahrpreis in Deutschland. In Luxemburg ist der Bus ja kostenlos und für die paar Meter in Deutschland musste ich bisher 40 € im Monat zahlen. Echt jetzt? Seit Juli habe ich aber das Deutschlandticket für 49 € und kann sozusagen für 9 € mehr kosten, überall Busse und Bahn im Nahverkehr nutzen. Noch geiler wäre es, wenn der Nahverkehr bei uns auch kostenlos wäre.

Corinna: Ja, da hat sie schon recht.

Alf: Sie hat schon recht. Und ich glaube, wir haben den passenden Menschen hier gegenübersitzen, der uns ganz viel dazu sagen kann und vielleicht auch Hinweise geben kann, wie wir das in Deutschland auch erreichen können, irgendwann so gut dazustehen, wie ihr das tut. François Bausch ist unser Gast. Er ist von 2013 bis 2018 Minister für nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur gewesen. Seit 2018 Verteidigungsminister sowie Minister für Mobilität und öffentliche Arbeiten. Er ist Vizepremierminister und bis 2020 war er außerdem noch Minister für Innere Sicherheit. Diese Aufgabe hat er abgegeben. François, hat der Tag für dich auch 24 Stunden? Wie schafft man das?

François Bausch: Ja, das war sehr viel, muss ich schon sagen. Erst mal vielen Dank, dass ihr mich eingeladen habt. Es macht mir sehr viel Freude, vor allem auch sehr lange über Verkehr zu diskutieren, ist mein Lieblingsthema. Zur Frage, ob man das schafft? Nein, das ist eigentlich nicht zu machen. Ich muss auch sagen, ich habe das damals übernommen, ohne mir bewusst zu sein, dass vor allem auch noch die innere Sicherheit hinzukam, dass das einfach den Tropfen auf das Fass war, was zu viel war. Und dann, als wir die Regierungsumbildung gemacht haben, als ich dann auch noch den Vizepremierminister übernommen habe. Da haben wir davon profitiert, eben mit dem neuen Minister, den wir reingenommen haben, dass wir das anders aufgeteilt haben und so, dass ich jetzt ja immerhin noch Vizepremierminister bin, Bautenminister, Mobilitätsminister und Verteidigungsminister. Wobei ich aber sagen muss, dass Verteidigung, die wollte ich gerne behalten, weil das für mich ein sehr spannendes Ressort ist, das für mich eigentlich gelebte Außenpolitik, auch Verteidigungspolitik, Verteidigung von Werten und so. Das ist ja für Grüne sehr ungewöhnlich. Er hat sehr viel Aufmerksamkeit bekommen, überall in Europa. Ein Grüner Verteidigungsminister. Aber für mich ist das selbstverständlich, weil ich glaube, Verteidigung ist für mich Verteidigung von Werten, Demokratie, Menschenrechte. Ja, und man kann sehr viel bewegen, auch innerhalb, auch auf der internationalen Ebene. Es hat mir trotzdem viel Spaß gemacht.

Corinna: Hast du mit unserer Annalena Baerbock zu tun?

François Bausch: Ich habe mit der Annalena zu tun, aber eigentlich trotzdem recht wenig. Weil in Deutschland ist es ja auch sehr strikt aufgeteilt. Verteidigungsministerium, Außenministerium, die arbeiten natürlich zusammen, aber trotzdem habe ich mehr mit dem Verteidigungsministerium zu tun. Ich habe die Annalena aber auch schon natürlich begegnet. Ich habe mich auch eingeladen einmal nach Berlin zu einer Sicherheitskonferenz über die Fragen Klima und Sicherheit. Ein Thema, wo ich sehr viel darauf gearbeitet habe in den letzten Jahren auch innerhalb der NATO, mit viel Erfolg bis jetzt. Weil die NATO hat das ja auch jetzt zum Schwerpunkt gemacht, ihre neue Strategie, also Sicherheitsfragen, den Klimawandel und aber ansonsten ist natürlich ja Außenpolitik und Verteidigungspolitik gehört zusammen. Wir machen auch und wir haben in Luxemburg auch eine Philosophie, die bedeutet 3D, also Außenpolitik, Diplomatie, Entwicklungspolitik und Verteidigungspolitik. Und wir sehen das auch immer zusammen, was ich auch sehr sinnvoll finde, weil Verteidigung ist ja eigentlich, im Grunde müsste ja viel mehr noch gearbeitet werden, dass Verteidigung auch Prävention ist von Konflikten, also Konflikten zu vermeiden. Also nicht nur zu sagen, wir haben eine Arme und wollen auch uns verteidigen können, wenn es notwendig ist, sondern auch darauf hinzuarbeiten, dass man... Dass es nicht zum Konflikt kommt.

Corinna: Sehr gut. Ich glaube, wir müssen dich noch mal einladen, speziell zu diesem Thema. Heute soll es ja mehr den Verkehr gehen. Aber dazu passt natürlich auch Annalena Baerbock ganz gut. Ich weiß nicht, ob du mitbekommen hast, dass sie neulich totale Probleme gehabt hat, nach Australien zu gelangen, dann die gesamte Tour absagen musste, weil unsere Flugzeuge der Flugbereitschaft nicht funktioniert haben. Wie hältst du das denn? Nimmst du die Flugbereitschaft oder eher Linienflüge?

François Bausch: Ich nehme, würde ich sagen, zu ja 90% Linienflüge. Wir haben eine Flugbereitschaft über den militärischen Bereich, über den Verteidigungsbereich. Das ist ein Austausch von Stunden, Flugstunden, weil wir in diesem Bündnis sind, mit diesen sieben anderen Ländern, wo Deutschland auch drin ist, ist die Europäische Air Traffic Control, wo wir Ausgleichsstunden nutzen können als Regierung und mit Militärmaschinen größtenteils. Aber es ist so, das reserviert eigentlich. Wir haben das sehr strikt geregelt, dass nur Premierminister, Außenminister, Verteidigungsminister und Wirtschaftsminister das nutzen können und auch nur, wenn es keine Linienflüge gibt. Also, wenn die Verbindung eigentlich entweder sehr schlecht ist oder wenn es eine Dringlichkeit ist. Also das heißt, ich habe zum Beispiel in den letzten Jahren... habe ich ja, ich würde mal sagen, sechs oder sieben Mal darauf zurückgegriffen. Für den Rest fliege ich normale Linienflüge.

Corinna: Und eigentlich bist du ja Zugfahrer?

François Bausch: Genau. Ich nutze, wenn es nur geht, natürlich den Zug. Ist natürlich von Luxemburg aus, können wir ja nach Steuern überreden, sehr schwierig. Wir haben sehr gute Verbindungen nach Frankreich. Wenn ich nach Paris fahre, gibt es gar keine Diskussion, nehme ich immer den Zug, TGV. Aber nach Deutschland ist es schwieriger. Da nehme ich eher das Auto.

Corinna: Wir kennen das Problem. Ich kenne das Problem. Ich muss ja jede Woche nach Berlin, faktisch. Und also es wäre besser, wenn unsere Bundesregierung in Paris säße. Das wäre sehr viel leichter zu erreichen. Du, wir sitzen ja hier in Trier in der ältesten Stadt Deutschlands und es sind nur ein paar Kilometer bis Luxemburg. Und was uns natürlich interessiert, was verbindest du mit unserer Stadt Trier?

François Bausch: Also sehr viel, weil vom Kind auf war ich sehr viel in Trier. Für die Luxemburger ist es sehr… war es immer sehr schön, nach Trier zu kommen, Trier einzukaufen auch. Also ein bisschen so wie ein Ausflug. Wir haben als Kind, habe ich mit meinen Eltern sehr viele Familienausflüge gemacht, immer nach Trier gemacht und die Luxemburger verbindet sehr viel mit Rheinland-Pfalz insgesamt, vor allem natürlich die Mosel und vor allem natürlich mit Trier. Weil das ist eigentlich so ein Teil auch, sehen wir es ein Teil an kulturell, was zu uns gehört und wo wir sehr viele Verbindlichkeiten haben. Und es ist auch eine sehr schöne Stadt. Ich habe Trier immer sehr gern gehabt, weil Trier zum Beispiel schon im Bereich Fußgängerzone sehr früh agiert hat, viel früher als Luxemburg zum Beispiel und das auch sehr angenehm war, immer nach Trier zu kommen, in dieser Fußgängerzone zu flanieren.

Alf: Weißt du, weißt du, dass wir in Trier noch bis 1970 U-Busse hatten, die elektrisch gelaufen sind? Trier war eine der letzten Städte, die noch komplett ausgerüstet war mit elektrischen U-Bussen. Und die sind also dummerweise gegen Dieselbusse ausgetauscht worden. Und dann sind sie auch noch aus der Fußgängerzone herausgekommen. Und plötzlich standen wir in Trier damit ganz weit entfernten Bushaltestellen und waren unserer wunderbaren elektrischen Vergangenheit überhaupt nicht mehr bewusst.

François Bausch: Ja, das ist also Trier hat die gleichen Fehler gemacht wie überall. Und Luxemburg war es ja noch viel schlimmer. Wir hatten ja eine Stadtbahn. Wir haben die in den 60er Jahren abgeschafft, so in einem Art Siegeszug. Also ich kann mich nur erinnern, als Kind haben wir die, habe ich mich beteiligt an der letzten Fahrt der Stadt Bern. Das wurde gefeiert wie ein Triumph damals, als die abgeschafft wurde. Das muss man sich heute mal vorstellen. Das war der Siegeszug des Autos natürlich. Und gab es ein Bussystem, was dann auch ein bisschen ersetzt war, aber schlechtes Bussystem. Das wurde dann in den 80er, 90er Jahren so langsam wieder reformiert und so wieder ein bisschen mehr auf den Takt gebracht. Aber es ist eine Katastrophe. Wir haben natürlich, die Stadt Luxemburg hat natürlich auch alles auf Auto gesetzt. Es war sehr autolastig bis ja, heute geht es schon viel besser, ist noch immer für mich zu autolastig. Und das hat auch gar nichts damit zu tun – das betone ich auch immer –, ich finde, wir sollen nicht gegen das Auto argumentieren. Das bringt ja gar nichts. Das Auto ist ein Teil der Mobilitätskette, aber das Auto soll sinnvoll eingesetzt werden, dort, wo es wirklich Sinn macht und natürlich dann am besten auch ein Null-Emissions-Auto, ein Elektroauto.

Corinna: François, wir kommen gleich zu den tiefen Inhalten. Man merkt, das wird hier kein Flachfürze Gespräch, sondern wir können, glaube ich, sehr fachlich miteinander reden. Aber der Alf, der hat ein paar persönliche Fragen an dich vorbereitet.

Alf: Ja, ich habe tatsächlich dieses Buch gelesen. Ich weiß nicht, ob du den Romain Meier gut kennst, aber ich denke schon, es gibt ein Bild da drin, wo ihr beide zusammen an der Tram sitzt, auf den Stufen der Tram sitzt. Und ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, was für ein Mensch sitzt uns gegenüber? Und da habe ich ein paar Fragen, die ich einfach so fragen, die du spontan beantwortet hast. Ist das okay?

François Bausch: Ja, ganz okay. Ganz gar und kein Problem.

Alf: Also Linienflug statt Flugbereitschaft ist erklärt. Das haben wir doch gemacht.

Corinna: Ja, super. Hat er gut erklärt.

Alf: Ich habe über dich gelesen, dass du manchmal missmutig bist. Den Eindruck habe ich jetzt gar nicht. Mutig oder missmutig? Das ist die Frage. Also Missmut kann ich so nicht erkennen.

François Bausch: Nee, ist auch nicht mein Charakter, ist eher Ungeduld. Deshalb hat das... Das ist das, was ich in dem Buch auch den Titel bekommen von ihm, von dem Journalisten. Es ist übrigens sehr interessant, der war lange Journalist in einer sozialdemokratischen Tageszeitung. Er ist auch Sozialdemokrat. Natürlich kenne ich den schon lange. Wir sind sehr stark befreundet, schon sehr lange, aber der ist Sozialdemokrat, auch heute noch, ist noch immer Mitglied der Sozialdemokratischen Partei in Luxemburg. Und deshalb kam dann der Titel zustande, der Ungeduldige. Und das ist eigentlich meinen... Ja, ist das jetzt ein Nachteil? Ein Vorteil? Ich sehe es manchmal für mich selbst als Nachteil an, aber im Grunde in meinem Handeln ist es, glaube ich, eher ein Vorteil.

Corinna: Also wir machen so Show-Notes nachher und dann werden wir auf dieses Buch verweisen. Das wird bestimmt jetzt ein Bestseller, auch in Deutschland.

Alf: Also ich finde, was dich gut beschreibt, ist der Satz, der Zitat, François Bausch: "Geht es nicht schneller?"

Alf: „Geht es nicht schneller?“ Das ist so ein Zitat, was man immer wieder findet.

François Bausch: Ja, oder das Zitat oder das andere ist, Das ist etwas, was ich sehr oft wiederholt habe im Leben. "Das kann doch nicht alles gewesen sein."

Alf: Genau das habe ich auch hier stehen. Ja, beschreib' das mal. Warum bist du so ungeduldig bzw. warum geht es nicht schnell genug?

François Bausch: Also der erste Grund ist natürlich, das ist, mein Charakter besteht darin, dass ich, wenn ich was mache, dann mache ich das zu 100 Prozent. Also ich könnte zum Beispiel nicht in einem Ministerium sitzen, nur ja, wie soll ich sagen, um Minister zu sein. Es gibt ja genug Beispiele überall in Europa, finde ich, von Ministern, die einfach nur, da geht es nur Macht. Ich bin froh, da zu sein. Das ist überhaupt nicht mein Charakter. Das würde mich schrecklich langweilen. Und deshalb steige ich dann auch zu 100 Prozent ein. Das ist der eine Grund. Und der andere Grund ist, weil ich hasse Bürokratie. Ich hasse es, wenn Leute aus... Ja, für mich ist es Energieverschwendung, wenn jemand etwas abblockt, wie es auch auf der politischen Bühne sehr oft der Fall ist, dass man in der Opposition ist und die Regierung kritisiert, nur weil man in der Opposition ist, ob schon man damit einverstanden ist, was die Regierung macht, gar nicht mein Charakter. Ich habe auch als Oppositionsabgeordneter, wenn die Regierung was gemacht hat, was ich persönlich richtig finde, dann habe ich das Gefühl, ich fände das gut. Und das glaube ich, da muss man wieder zurückfinden. Ich habe deshalb, ich bin auch immer ein sehr großer Bewunderer gewesen von Robert Habeck in Deutschland, weil ich finde, der Robert macht das auch sehr gut. Der ist, das ist auch so ein Charakter, ein bisschen ungeduldig, es geht ihm nicht schnell gut, es ist ein hundertprozentiger Einsatz und den Gegner nicht einfach nur kaputt treten. Das ist, glaube ich, das, was mich charakterisiert. Und deshalb ist das auch so mein Charakter, immer zu 100 Prozent einzusteigen.

Corinna: Du hast mal gesagt: "Wenn ich etwas ankündige, dann kommt auch etwas raus."

François Bausch: Ja, das ist auch mein Charakterzug. Ich bin eigentlich eher frustriert, wenn ich was anpacke und ich bekomme es nicht hin. Außer natürlich, wenn ich, ich kann auch meine Meinung natürlich ändern. Ich bin nicht besessen auf meine eigene Meinung. Es geht gar nicht darum. Es geht darum, wenn ich ein, wenn jemand mir verdeutlicht, dass das, was ich begonnen habe, vielleicht der falsche Weg ist, dann kann ich auch genauso schnell entscheiden. Okay, dann stoppen wir das und wir werden das korrigieren. Aber, aber es ist so, dieser Stadtplan zum Beispiel, die ist ja ein großer Teil, die erste Linie ist ja fast fertig. Das war ein Projekt, das wurde über 30 Jahre in Luxemburg diskutiert, zerredet und so. Und das hatte ich mir vorgenommen. Dieses Projekt wird jetzt umgesetzt. Und das haben wir dann auch hingekriegt. Das bin ich sehr froh darüber. Hat jetzt inzwischen auch unumstritten. Fahrgastzahlen, die übersteigen alle Erwartungen inzwischen. Jetzt ist es, wenn ich die ich habe, die Wahlprogramme in Luxemburg sind, es gibt ja es ja im Oktober kommunale, äh nationaler Wahlen und da habe ich mir die Wahlprogramme jetzt angeschaut. Es ist schon verrückt. Jetzt verlangen alle Parteien, die noch vor zehn Jahren Gegner wären, dieser Stadtbahn, die wollen jetzt überall Stadtbahnen bauen.

Corinna: Wie wunderbar, oder? Schöneres Kompliment kann es doch gar nicht geben.

François Bausch: Genau. Und es ist ja lustig. Und jetzt, ich muss jetzt ein bisschen bremsen, weil das ja nicht überall Sinn macht. Wir können ja nachher darüber reden. Aber ist so ein Beispiel. Das war, jeder hat, also es gab in Luxemburg, die Journalisten haben 2013 gesagt, als ich begonnen habe als Verkehrsminister, ja, der wird sowieso, der wird richtig das genickt, der wird in fünf Jahren abgewählt werden, kriegt das nie hin. Und ich habe bewiesen, dass das falsch ist, dass man auch sogar Wahlen gewinnen kann, wenn man mutig an ein Projekt rangeht. Auch wenn es umstritten ist, war es also Verkehrspolitik ist für mich eine Herzensangelegenheit, aber es ist ein schwieriges Dossier. Man muss immer streiten, immer diskutieren, aber es lohnt sich, ganz klar.

Alf: Also kann man sagen, du bist ein Visionär. Das ist ja schon eine Vision, oder? Beides ist eine Vision gewesen. Die Stadtbahn ist ja nicht von dir. Die war ja vorher schon lange angekündigt oder geplant oder zerredet, wie du gesagt hast. Aber der kostenfreie öffentliche Nahverkehr, das ist ja dein Projekt.

François Bausch: Aber eine Korrektur, die Stadtbahn, die habe ich mit initiiert, das heutige Projekt. Ich war ja beigetragen, der Bürgermeister der Stadt Luxemburg, 2005, und wir haben dann, wir haben mit den Liberalen eine Koalition gemacht und das war ein großer Diskussionspunkt. Wir haben gesagt, wir gehen nur in diese Koalition rein, wenn dieses Projekt jetzt endlich auch positiv begleitet wird von der Stadt Luxemburg, weil die war ja vorher der größte Gegner immer, dieser Stadtbahn, die zu bauen. Und das war eigentlich der Startschuss für dieses Projekt. Und damals hätte ich ja nicht voraussehen können, dass ich 2013 die Chance bekommen, dann als Minister das auch wirklich dann komplett durchzusetzen. Also es war schon, die Grünen waren bei diesem Projekt immer, würde ich sagen, über die Jahrzehnte hinweg die treibende Kraft. Wir haben auch '99 eine Wahl in der Hauptstadt verloren, weil wir für dieses Projekt waren. Die Liberalen haben sehr stark zugelegt damals. Aber da sieht man auch, dass man manchmal sogar eine Wahl verlieren muss oder kann, dann fünf Jahre später wirklich durchzustarten.

Alf: Da hast du auch schon mit dem François Bettel zusammengearbeitet, damals in der Stadt?

François Bausch: Ja, mit dem Xavier Bettel, der Premierminister, der war 2005 kam, der mit mir zusammen in den Schöffenrat, ganz klar. Und ich muss auch sagen, uns verbindet auch ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Wir haben, wir kommen, wir haben natürlich politische andere Sichtweisen, ganz klar. Aber wir haben auf der menschlichen Ebene sehr gute Beziehungen. Das ist auch übrigens ein anderes Element, was vor allem in der Verantwortung sehr wichtig ist. Also ich könnte niemals in einer Mehrheit arbeiten, wo 90 Prozent meiner Energie draufgeht, dauernd zu schauen, ob jemand mir, ob jemand mein Projekt, was wir gemeinsam entschieden haben, zerredet wird. Das stört mich zum Beispiel sehr stark jetzt in Deutschland, wenn ich die Ampelkoalition in Deutschland sehe. Ich finde das schrecklich, dass die sich dauernd öffentlich zerstreiten und ja eigentlich nur jetzt so ein bisschen gearbeitet haben. Wie kann ich den anderen blockieren? Das ging natürlich in Deutschland viel von den Liberalen aus, ganz klar. Aber das muss unbedingt wieder in Ordnung gebracht werden. Und ich hoffe, dass das auch klappt.

Corinna: Und was ist das Geheimnis hier dahinter? Ist das ein Charakteristikum der Politik in Luxemburg, die einfach eher darauf angewiesen ist, näher und besser miteinander klarzukommen? Oder ist es ein Zufall, dass ihr zwei euch so gut versteht?

François Bausch: Also es ist beides. Es ist schon so, die menschliche Ebene spielt eine Rolle und die hat zwischen dem Xavier Bettel und mir gut funktioniert immer. Und das andere ist natürlich, dass in Luxemburg ist, Luxemburg hat immer, also das Erfolgsmodell Luxemburg hat immer darauf bestanden, natürlich, dass mehr Konsensfähigkeit besteht in der Gesellschaft, weil wir klein sind. Wir sind ja klein. Wir haben zwei große Nachbarn Frankreich, Deutschland innerhalb Europas. Die Rolle, die Luxemburg immer gespielt hat. Und das ganze Erfolgsmodell hat darauf aufgebaut, dass es viel mehr eine Konsensgesellschaft ist als in Deutschland. Es ist weniger Polarisierung als in Deutschland und vor allem in Frankreich. Frankreich ist noch viel schlimmer. Also ihr seid in Deutschland noch sehr gut dran. Wenn ihr die französische politische Ausgangsposition sieht, ist die zurzeit sehr schrecklich.

Alf: Die Zusammenarbeit mit dem Xavier Bettel ist ja auch auf eine wunderbare Art und Weise verdeutlicht in dem Uganda Projekt, wo ihr in Uganda gemeinsam im Schlamm stecken. Das habe ich so toll gefunden, dass er dann... Vielleicht kannst du das mal erzählen.

François Bausch: Ja, das ist eigentlich sehr, sehr lustig. Also es ist so wie ich. Wir waren beide Abgeordnete damals und da gab es eine parlamentarische Konferenz in Kampala. Und dann habe ich dem Xavier gesagt: "Hör mal, ich beabsichtige vielleicht da, wenn ich schon da bin, profitiere ich eine Verlängerung zu machen. Und das Land ist sehr schön, auf privater Basis, dann anschließend auch so eine kleine Rundreise zu machen. Und hast du keine Lust mitzukommen?" Und hat er gesagt: „Oh, ist eine tolle Idee, dann mache ich mit. Und dann sind wir beide, haben wir dann diese Rundreise gemacht und die war zum Teil sehr, sehr desaströs, weil es hat unglaublich geregnet und wir sind im Schlamm überall steckengeblieben. Wir haben da auch sehr abenteuerlich eine abenteuerliche Nacht verbracht in so einem Dorf in Uganda. Das sollte eigentlich so ein Mini Hotel sein, aber gar kein Hotel. Es war eigentlich so ein Schuppen, wo wir geschlafen haben, ohne Wasser, ohne Toiletten. Also, es war schon sehr beeindruckend. Und das beschreibt aber auch sehr gut eben die menschliche Dimension, wo wir beide zusammen hatten, dass wir sehr gut zusammen klarkommen.

Corinna: Wahnsinn. Sehr beeindruckend. Sehr beeindruckend. Wolltest du nicht noch etwas fragen bezüglich seiner Einkaufsgewohnheiten? Passt das da jetzt rein? Du hast vorher gesagt, das sei dir total wichtig.

Alf: Ja, es ist mir ganz wichtig. In Luxemburg wurde der François Bettel immer als der Armani, der Armani-Minister beschrieben. Ich glaube aber, wenn ich dich so vor mir sehe, ihr könnt ihn ja jetzt nicht sehen, aber ich sehe ihn ja vor mir. Er sieht schick aus. Er sieht schick aus, aber er sieht nicht so nach Armani aus. Oder er hat keine Krawatte an. Ich glaube, kaum jemand zieht mir eine Krawatte an. Aber Armani oder C&A, das ist die Frage.

François Bausch: Also ganz sicher nicht C&A, aber aus anderen Gründen. Aber ja, gut, ich glaube, das ist sowieso eine falsche Diskussion. Ich glaube, man soll die Menschen selbst entscheiden lassen, wie sie sich kleiden wollen. Ich beurteile sowieso, sowieso, ich sage, mein Vorsatz ist, man soll die Menschen leben lassen, wie sie leben wollen, solange das, dass das keinem anderen schadet. Das beziehe ich auf Kleidung, beziehe ich natürlich auch auf, ob ich jetzt ja eher, ich sage mal, mit einem Mann zusammenleben will, mit einer Frau oder was weiß ich, die ganze Debatte Transgender. Also ich finde, die Menschen soll man respektieren in ihrer eigenen Entscheidung, wie sie sich kleiden oder wie sie leben wollen. Die einzige Voraussetzung ist für mich, dass die Art und Weise, wie ich lebe, darf nicht auf Kosten eines anderen gehen. Und das ist auch mit der Kleidung so. Ich ziehe auch heute noch manchmal Krawatte an. Aber weißt du, die Entscheidung, mehr öfters Krawatten anzuziehen, die kam daher – das habe ich als Abgeordnete einmal entschieden, als Grüner –, weil ich einfach die Nase voll hatte, immer in einem Gespräch, in einem Rundtischgespräch, was auch immer, zuerst mal so Vorurteile abzubauen. Weil ich möchte ja meinen Inhalt rüber bekommen.

François Bausch: Ich möchte ja, dass ich wahrgenommen werde auf das, was ich tue, was ich sage, was ich, was ich wohin, was meine Vision ist und nicht, dass ich erst mal so Energie verliere, 20 Minuten oder 50 % der Zeit verliere, zu erklären, dass, obwohl ich keine Krawatte hätte, ich ein ordentlicher Mensch sei oder so. Also eigentlich war das der Hauptgrund, weshalb ich das dann entschieden habe. Also du gehst einfach das nächste Mal im Fernsehen, Auftritt hast, ziehst du auch Krawatte an und das hat auch funktioniert. Das hat dann, war das mal weg. Es geht ja darum, die Menschen, jeder soll sich anziehen. Natürlich sauber und das ist kein Thema, aber der Status, der darauf gelegt wurde, den finde ich einfach Quatsch. Und wenn ich jetzt in Deutschland sehe, der Robert Habeck hat ja auch eine Krawatte angezogen. Jetzt sehe ich ihn manchmal mit der Krawatte als Minister. Aber es ist alles okay. Aber bei einem offiziellen Auftritt, ja gut, ist so wie eine Uniform, sage ich immer. Manchmal muss man dann auch die Uniform anziehen, ist kein Problem.

Corinna: Ja, und ich finde diesen Punkt, diese liberale Grundhaltung, die du zum Ausdruck bringst, die finde ich ungemein sympathisch. Den deutschen Grünen wird ja oft unterstellt, dass sie anderen Menschen erzählen wollen, wie sie zu leben haben. Das ist so ein gängiges Bild grüner Politik, das mit der Realität meines Erachtens nach nicht viel zu tun hat. Aber seid ihr da in Luxemburg mit den gleichen Ressentiments konfrontiert? Also habt ihr dieselben Probleme wie wir diesbezüglich?

François Bausch: Ja, wir haben die gleichen Probleme. Das ist schon ein internationales Phänomen. Das wurde natürlich auch sehr stark zuerst von den extremen Rechten gegen die Grünen eingebracht. Und da wurde ja eigentlich eine Verunsicherung, Verängstigung der Menschen gegenüber den vielen Krisen, die wir haben, die man auch sehr ernst nehmen muss, diese Verängstigung, die wurde ausgenutzt, gegen die Grünen vorzugehen und dieses Bild zu entwerfen. Und das wurde dann schlimmerweise auch noch von den anderen demokratischen Parteien zum Teil übernommen. Also in Deutschland, die CDU hat das übernommen. Das ist das gleiche auch bei uns. Was natürlich eine Katastrophe ist, weil damit wurde ja auch erst dieser Diskurs Salonfähig gemacht. Und die haben ja gar nichts damit zu gewinnen, weil das sieht man ja auch jetzt in Deutschland. Die CDU gewinnt keinen Besenstiel mit dieser Logik. Die Einzigen, die profitieren, ist in Deutschland die AfD. Und ich glaube, es ist viel wichtiger, dass man sich deshalb mit der AfD auch auseinandersetzt, zum Beispiel auf der thematischen Ebene. Man soll nicht verfallen, ich finde es falsch, jetzt gegen diese Parteien zu argumentieren, Stil, ihr seid extreme Rechte, die in die Märtyrer-Ecke zu drücken. Das finde ich sehr falsch. Man soll sich auseinandersetzen mit denen, mit deren Inhalten, auch wenn man sie noch so katastrophal findet.

François Bausch: Das ist die einzige Möglichkeit, aus diesem da rauszukommen. Und der erste Fehler, der auf jeden Fall ist für mich ein dringender Appell an alle Parteien, an alle demokratischen Parteien. Bitte aufhören mit diesen, diese Sachen zu übernehmen von denen, auch wenn es abgeschwächt übernommen wird. Es ist die gleiche Logik. Man will, das führt dazu, dass das wirklich salonfähig wird. Und es ist ja so, dass wir haben in Luxemburg, wenn ich in Debatte bin, wenn dann diese übliche These kommt von der Verbotspartei, könnte man bitte mal ein paar Beispiele geben, was wir dann verboten haben? Und da kommt überhaupt nichts. Und ich sage immer zu der christdemokratischen Partei. Es gibt keine Partei in der Geschichte in Luxemburg, die so moralisch Politik gemacht hat wie ihr. Ihr habt ja verboten während Jahrzehnten gleichgeschlechtliche Beziehungen, Abtreibung. Also wenn ich alles aufliste, was die Christdemokraten aus moralischen, ideologischen Gründen verboten haben über Jahrzehnte, das ist ja, das kann man so ein Buch schreiben darüber. Und dass die uns jetzt vorwerfen, wir seien eine Verbotspartei, das ist eigentlich lächerlich. Aber sie ist von Anfang an ist es gefährlich, weil man das nützt im Grunde nur den, das nützt den gar nichts und nützt denen den falschen.

François Bausch: Und vor allem auch ist es auch nicht gut gegenüber der Thematik. Aber ich sage auch die Grünen müssen auch aufpassen. Ich bin, in meiner Partei habe ich immer gekämpft dafür, dass die Grünen nicht moralisch argumentieren. Diese Moralisierung der Politik ist eine Katastrophe. Wir sollen rational diskutieren und es geht darum, die Menschen mitzunehmen. Und deshalb meine Einschätzung ist auch, wenn ich jetzt die Verkehrspolitik als Beispiel nehme. Deshalb betone ich immer wieder seit zehn Jahren, ich bin nicht gegen das Auto. Das Auto ist ein Teil der Mobilitätskette. Es geht darum, ein anderes Mobilitätssystem zu schaffen, wo wir viel mehr Möglichkeiten haben, wo es viel einfacher wird, viel bequemer wird, sich fortzubewegen. Das ist das, was wir nach vorne bringen. Wir müssen den Menschen Lösungen anbieten. Die Lösungen gibt es ja. Der Klimawandel ist lösbar, aber die Lösung bedeutet nicht, wir leben nachher alles schlechter oder wir werden nur noch verzichten müssen. Das ist einfach falsch. Das ist eine falsche Herangehensweise.

Alf: Das finde ich sehr gut. Das war ein ganz wichtig Statement. Ich finde auch, dass ihr in Luxemburg auf dem richtigen Weg seid, sehr viel schneller, als es in Deutschland überhaupt möglich ist. Kommen wir noch mal zum Verkehr. Dafür sitzen wir ja hier. Ihr habt es geschafft, innerhalb von relativ kurzer Zeit. Sagen wir mal vor 20 Jahren waren die verkehrspolitischen Leitlinien in Luxemburg ähnlich wie in Deutschland. Dann haben sie sich langsam auseinander entwickelt. Bei euch ist ausgebaut worden. Ich kann mich erinnern, als ich noch jünger wie jetzt in Luxemburg gesehen habe, dass überall Taktverkehr eingeführt wurden, habe ich gesagt: „Gottes Willen, wer will denn in Käfern wie Esslingen, darf ich das so sagen? Wer will denn da stündlich irgendwohin fahren? Das hat also fürchterlich, fürchterliche Diskussionen hier gegeben. Wir haben versucht, dann Verkehren nach Luxemburg durchzuführen, die Firmen hier aus der Region und haben festgestellt, in Luxemburg läuft alles sehr, sehr viel schneller. Die Genehmigungsverfahren laufen schneller. Die Bürokratie ist nicht so tief gestaffelt wie bei uns. Und ja, plötzlich überrascht ihr uns mit dem kostenfreien oder mit dem beitragsfreien ÖPNV. Über den wollen wir noch ein bisschen reden. Vielleicht kannst du mal einfach loslegen und sagen, wie das begonnen hat. Das muss ja irgendwann mal eine Initialzündung gegeben haben, die bei uns bis heute noch fehlt.

François Bausch: Das ist ja sehr interessant. Es ist ja so, die Verkehrswende wurde 2013 eingeleitet, als wir in die Regierung gekommen sind. Das war auch eines meiner Herzensangelegenheiten. Nebenbei finde ich es auch eine Katastrophe, dass die deutschen Grünen dieses Verkehrsministerium nicht genommen haben oder bekommen haben, aus welchen Gründen auch immer. Das finde ich fatal, weil es ein wichtiger Teil grüner Politik ist.

Alf: Das sehe ich auch so.

Corinna: Das sehen wir alle so.

François Bausch: Und dann haben wir 2013 das begonnen und keiner hat ein Pfennig dafür gegeben. Die meisten... die anderen Parteien haben das auch so gesehen. Ja, der wird sowieso scheitern. Das ist aber nicht passiert. Das ist genau das Gegenteil passiert. Wir haben das schrittweise angefangen. Zuerst mal habe ich das Ministerium umgestaltet, neue Planungsverfahren eingeführt, diese Modus-Strategie, Modus 2.0 entwickelt. Das ist eigentlich eine neue Planungsweise, eine neue Herangehensweise mit Kriterien entwickelt, wie man überhaupt Verkehr plant und dann verschiedene Projekte. So "Quick-Wins" haben wir gemacht. Tram war natürlich, die Stadtbahn war ein Teil davon. Und dann kam nach 2017, nach dem Modus die Idee: Wir müssen jetzt einen neuen, also einen Art 4-Verkehrswege planen, eine Vision bis 2035 entwickeln und die darauf hinauslaufen soll, dass wir den Problemen nicht mehr mit den Baustellen hinterherlaufen, sondern wirklich eine Vision entwickeln, aufbauend auf das, wie wir glauben, dass Luxemburg sich entwickeln wird und dann den Verkehr voran, also zuerst Verkehrsplanung machen, bevor wir entwickeln.

François Bausch: Ja, und dann natürlich viel investieren. Das war für uns einer der wichtigen Punkte bei den Koalitionsverhandlungen. Wir müssen jetzt Geld in die Hand nehmen, wir müssen den Schienenverkehr ausbauen. Alles das, was über Jahrzehnte vernachlässigt wird, nachholen, haben wir auch durchgesetzt, wurde auch akzeptiert. Das ist ein wichtiger Teil dieses Abkommens. Und der Gratis-Öffentlich-Verkehr stand in unserem Wahlprogramm eher mittelfristig, gar nicht als dringende Aufgabe. Und dann kam 2018 die Wahl. Die liberale Partei hatte in ihrem Wahlprogramm, das als Hauptthema stehen. Die liberale Partei, muss man sich, muss man mal bedenken.

Alf: Stellen Sie sich für Deutschland mal vor.

Corinna: wäre schön, oder?

François Bausch: Dann haben wir verhandelt. Und dann habe ich gesagt: Natürlich habe ich gar kein Problem. Ich bin ja auch ein Befürworter. Aber nicht kurzfristig hätte ich das nicht gemacht, eher mittelfristig gemacht, weil ich die Investitionen viel wichtiger finde, den Ausbau, das Angebot, die Qualität muss da sein. Und ich habe gesagt: Okay, aber ich kann mir das vorstellen, dass wir das vorziehen. Nur es darf nicht auf Kosten gehen der Investitionen. Der Plan, den wir hatten, der muss weitergehen. Das haben wir dann vereinbart. Und deshalb habe ich auch gesagt, als ich das dann sofort umgesetzt habe, für mich ist das immer nur die Kirsche auf dem Sahnehäubchen auf dem Kuchen, weil das wichtige ist der Kuchen, den muss man backen. Und das ist gar nicht der Zugang, der kostenlose Zugang zum Verkehr, öffentlicher Verkehr, sondern das ist die Qualität, das ist das Netz, das ist die, wie viele Verbindungen habe ich, sind es gute Verbindungen, passt das alles. Das gesamte Verkehrssystem funktioniert das gut. Das ist der wichtigste Punkt. Ohne den kann es nicht funktionieren. Und deshalb habe ich auch dem deutschen Verkehrsminister gesagt, als ich mit dem ein Gespräch hatte über die Frage, damals war das 9-Euro-Ticket.

François Bausch: Was soll man da tun? Da habe ich gesagt: „Natürlich ist es wichtig, dass man ein einfaches Tarifsystem hat, was möglichst auch kostengünstig sein soll. Es muss nicht unbedingt umsonst sein. Aber viel wichtiger ist, wenn du das machst, dann musst du eine Vision dahinter haben, wie du auch das System verbessern möchtest. Weil ansonsten frustriert man die Menschen ja. Das ist ja, was in Deutschland zum Teil jetzt passiert. Dieses Ticket ist eine tolle Idee. Super gut. Aber die Menschen haben Erwartungshaltungen gegenüber die, die jetzt neu den öffentlichen Verkehr entdecken. Die entdecken ja auch die Schwachstellen. Und die, die das akzeptieren die dann noch, wenn man denen dann sagt Ja, wir haben hier noch Schwachstellen, wir wissen, ihr habt recht, wir kennen die Schwachstellen, wir arbeiten daran. Und das ist die Vision, wie wir die ausbessern wollen. Aber wenn du die nicht hast, dann wird das eine Katastrophe. Dann werden die Leute danach nur frustriert sein und sagen Ja, öffentlicher Verkehr funktioniert ja gar nicht. Und das haben wir. Wir haben fast jedes Jahr weihen wir neue Sachen ein. Ich habe jetzt ein Beispiel: Der Bahnhof Merch, das ist ein größerer Bahnhof im Zentrum des Landes auch Richtung Norden komplett modernisiert.

François Bausch: Der wurde komplett umgestaltet mit einem neuen Bus-Bahnhof. Super modern, den werde ich jetzt einweihen in zwei Wochen. Und dann haben wir da natürlich auch eine Park-und-Ride-Anlage dazu gebaut. Die Verbindungen wurden auch verbessert, die Busse wurden mehr ausgerichtet auf diesen neuen Knotenpunkt der Eisenbahn. Und so geht das dann die ganze Zeit weiter. Ich habe noch Ende des Monats werden wir noch eine neue Park-und-Ride-Anlage im Südwesten der Hauptstadt einweihen als Beispiel. Also man muss andauernd den Leuten auch zeigen und dieser nationale Plan ist ja, jeder kann da drin schauen, was passiert in meiner Region die nächsten zehn Jahre? Das ist die Voraussetzung, dass auch die Qualität und dass die Leute auch umdenken und umsteigen.

Corinna: Aber nun habt ihr es ja hier mit armen Nachbarn zu tun. Und wir haben uns mal angeschaut, ihr wollt zwischen 25 und 2039 7 Milliarden € in die Bahn investieren. Das würde auf Deutschland bezogen bedeuten, das 150-fache, ja, das sind Beträge, eine Billion, die können wir uns kaum vorstellen. Wie soll das funktionieren? Hast du Ideen, wenn du auf uns blickst?

François Bausch: Ja, das ist eine Frage der Prioritätensetzung. Man muss also natürlich kann man nicht, man muss immer mit dem Geld haushalten, dass man hat und kann nicht Geld ausgeben, das man nicht zur Verfügung hat. Aber es ist eine Frage von Prioritätensetzung. Das heißt, in Deutschland müsste die Priorität gelegt werden in den nächsten 10, 15 Jahren auf die Investitionen ins Schienennetz. Und natürlich muss man dann sagen: "Okay, dann baue ich vielleicht dort eine Straße." Man muss das abwägen. Man muss das abwägen. Wir bauen ja auch noch Straßen. Es geht ja nicht darum, es geht ja nicht. Es geht auch hier wieder nicht darum, die Straße auszuspielen gegen die Schiene. Aber man muss einfach die Feststellung machen, dass über Jahrzehnte vor allem im Schienennetz nicht investiert wurde. Die Deutsche Bahn ist chronisch unterfinanziert gewesen über Jahrzehnte, genau wie in Luxemburg das Gleiche war das. Und wenn man das dann weiß, dann muss ich, da muss ich die Priorität umswitchen. Das haben wir auch gemacht. Früher haben wir von unseren öffentlichen Investitionsausgaben haben wir ungefähr zwei Drittel in die Straße gesteckt, nur für den Autoverkehr ausgegeben und knapp ein Drittel für den öffentlichen Verkehr. Das haben wir umgeswitcht. Wir geben heute zwei Drittel aus für den Schienenverkehr.

François Bausch: Wir haben die Priorität gesetzt auf den Ausbau des Schienenverkehrs und das Bussystem des öffentlichen Nahverkehrs. Und sogar wenn wir neue Straßen bauen, wir haben in diesem Plan die Straßen neu klassifiziert. Für mich ist eine Straße nicht eine Infrastruktur für Autos, sondern es ist ein multimodaler Korridor, wo alle Verkehrsmittel ihren Platz haben müssen. Fußgänger, Fahrräder, je nachdem, wo die Straße sich auch befindet. Wir haben dann mehrere Ebenen natürlich definiert. Aber immer ist es eine Infrastruktur, wo ich eben das, was die Philosophie im Modus steht, wir wollen ja Menschen bewegen, nicht Fahrzeuge bewegen. Deshalb geht es darum, die Menschen wollen mobil sein, von A nach B kommen. Und deshalb muss man die ganze Mobilitätspolitik darauf ausrichten, dass wir die Menschen bewegen wollen und nicht die Fahrzeuge.

Corinna: Wenn du jetzt Verkehrsminister in Berlin wärst, was würdest du anders machen als Herr Wissing?

Alf: Wahrscheinlich viel, hoffe ich.

François Bausch: Also es ist ja so, ich argumentiere ja auch nicht jetzt gegen Herrn Wissing.

Corinna: Vielleicht können wir dich ja abwerben.

François Bausch: Ja, ich habe viel in Deutschland mit Vorträgen, ich bin ja viel angefragt worden und da kommt immer diese Frage. Es geht mir nicht, Es geht nicht Herrn Wissing. Es geht ja auch nicht Frau Forhr oder Herr Scheuer oder Herrn Dobrin. Das ist mir eigentlich egal. Also was ich den Ratschlag, den ich dem deutschen Verkehrsminister, egal, wer es ist, geben würde, wäre, ihr müsst ein nationales Konzept entwerfen, eine nationale Strategie, wo ihr hin wollt. Und die muss natürlich den öffentlichen Verkehr jetzt mal eine Zeit lang priorisieren. Das heißt, wie gesagt, nicht keine Straßen mehr renovieren oder bauen, aber vor allem, wenn Straßen gebaut werden, die im Zusammenhang zu sehen mit dem öffentlichen Verkehr. Und das bedeutet unweigerlich, weil wir in ganz Europa die gleichen Fehler gemacht haben, dass über Jahrzehnte die chronische Unterfinanzierung, die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, dass dieser Rückstand muss aufgeholt werden und dann ein multimodales Konzept entwerfen auf der nationalen Ebene, wo es in Deutschland natürlich komplizierter ist als in Luxemburg, weil ihr habt ja mehrere Ebenen, ihr habt ja dann die Länder ebene, die dann kommen erst die Kommunen. Aber das ist im Grunde immer das Gleiche. Da muss man national eine Strategie entwerfen und dann mit den Ländern das runterdeklinieren.

François Bausch: Aber die Vision ist wichtig. Nicht sagen, hier eine Schiene, da vielleicht eine Autobahn, da einen Flughafen verbessern, was weiß ich auch immer, ohne dass man das im zusammenhängenden Konzept sieht. Man muss klar eine Vision verfolgen. Und der größte Paradigmenwechsel, den wir überall in Europa brauchen, ist die Devise, wir müssen Menschen bewegen und nicht Fahrzeuge. Es geht nicht ums Auto. Es geht auch nicht die Stadtbahn und nicht den Zug. Ich möchte, dass die Menschen möglichst komfortabel von A nach B kommen. Und dann muss ich auch verstehen, dass ich dann nur das geht, nur wenn ich kombiniere. Ich bin überzeugt, dass wenn wir in ganz Europa ein multimodales Verkehrssystem haben, dass die Mobilität und die Möglichkeiten, mobil zu sein, der Menschen sich vervielfältigen werden gegenüber noch von heute.

Alf: Also du bist schon der Meinung, dass es für die Menschen positiv sein wird, nicht mehr in individuellen kleinen Verkehrsmitteln herumzufahren.

François Bausch: Das auch.

Alf: Aber im Wesentlichen sollen die, nennen wir sie ruhig mal die Massenverkehrsmittel, ihre Rolle wiederfinden, die sie eigentlich verloren haben.

François Bausch: Es hat ja keinen... Also wenn ich heute die Durchschnittsgeschwindigkeit des Autos sehe, vor allem in Ballungsgebieten. Manchmal kann man ja fast zu Fuß gehen. Das ist ja schneller zu Fuß als mit dem Auto. Übrigens nimmt man bei, man merkt, in Luxemburg sind 50 % der Verkehrsbewegungen sind unter fünf Kilometer. Die haben ja nicht Autos gebaut mit 200 Pferdestärke, es fünf Kilometer weit zu bringen. Und in Deutschland ist es nicht viel anders, ist nur größer, ist eine größere Dimension. Aber wenn ich wahrscheinlich vor allem in den Ballungsgebieten in Deutschland ist es wahrscheinlich genau das Gleiche. Das heißt, wir müssen das alles hinterfragen, wie wir uns fortbewegen. Und es macht ja auch keinen Sinn. Was ist denn der Vorteil, wenn ich mich in einem Auto fortbewege und die Durchschnittsgeschwindigkeit, ich weiß nicht 15 Kilometer die Stunde ist das? Das ist ja eigentlich Irrsinn. Und deshalb müssen wir irgendwie überlegen, wie wir, dass das Auto effizient eingesetzt wird und dass es kombiniert wird. Weshalb bauen wir... Wir haben eine ganze Strategie von Park & Ride Anlagen in Luxemburg. Weshalb haben wir das gemacht? Weil natürlich gibt es zum Beispiel in ländlichen Regionen Menschen, man kann den Bus, das Bussystem sehr gut organisieren, aber man bekommt nie die gleiche Dichte und das gleiche Netz wie in einem städtischen Raum.

Alf: Deshalb ist das eine spezifische Ausgangslage und die Menschen sind viel mehr aufs Auto angewiesen. Aber dann kann ich ja schauen, dass ich denen irgendwo Park & Ride oder ein Schienennetz baue, dass die sehr bequem sind, mit sehr attraktiven Zug verbinden. Da können die ein Stück mit dem Auto machen, dort hinzukommen und dann aber das Hauptstück mit dem Zug zum Beispiel zu machen. Also, Kombinieren ist wichtig.

Alf: Intermodalität.

François Bausch: Intermodalität ist das absolut Wichtigste. Es ist, es gibt keine, ich sage immer, es gibt keine silberne Kugel, die Verkehrsprobleme zu lösen, sondern nur, dass das System als Gesamtes verändert werden. Es ist die Systemveränderung.

Corinna: Wie wichtig ist für euch das Thema Barrierefreiheit?

François Bausch: Sehr wichtig. Wir haben an, inzwischen ist es bei uns Standard, dass wir den öffentlichen Naheverkehrsmitteln. Sowieso alles, was neu gebaut wird, wird in Absprache gemacht mit den Vereinigungen, die sich Menschen mit Barriereproblemen, also die sich für Barrierefreiheit einsetzen. Und das Ziel ist für uns, dass wir das in die öffentlichen Naheverkehrsmittel quasi auch zu 100 % genutzt werden können von Leuten, die eine Behinderung zum Beispiel haben, dass das problemlos für die möglich ist. Es bleibt ein Restteil natürlich übrig von Menschen, die sehr stark, die so stark beeinträchtigt sind, dass das nicht geht. Und da haben wir auch so ein Bussystem entwickelt, so ein Rufbussystem, dass die nutzen können, damit die auch öffentlichen Verkehr zur Verfügung haben. Aber Barrierefreiheit ist sehr, sehr wichtig.

Corinna: Und wenn ich jetzt Rolli-Nutzende wäre, könnte ich mich jetzt in Luxemburg einfach spontan an den Bahnsteig stellen und in den nächsten Zug einsteigen? Das ist bei euch Standard?

François Bausch: Ja, es gibt mehrere Möglichkeiten. Du kannst, wenn normalerweise ist die Züge, die wir auch jetzt in Luxemburg rumfahren, es gibt noch einige Ältere, die werden wir jetzt in den nächsten Jahren abschaffen. Aber das ganze Rollmaterial, wir haben sehr stark investiert in das Rollmaterial, sehr modernes Rollmaterial und die sind alle barrierefrei organisiert. Die Bahnsteige, wir haben sämtliche, fast sämtliche Werkstatt inzwischen komplett erneuert, auf dem Netz in Luxemburg alles barrierefrei ausgerichtet. Und du hast dann zwei Möglichkeiten. Ein Fehler schaffst du erst noch alleine. Normalerweise in den meisten Börsen dürfte das kein Problem mehr sein, auch in den Zug alleine einzusteigen. Aber wenn deine Behinderung sehr stark ist oder wenn du Probleme hast, kannst du auch eine Anfrage machen. Dann wird das ab der Zugbegleitperson mitgeteilt und die organisieren dann die (Zugbegleitpersonen) wissen genau auf dem Bahnsteig steigt eine Person ein, die größere Probleme hat, damit die behilflich sein kann, damit die Person einsteigen kann. Wir haben übrigens, das war ja eine große Diskussion, als wir den gratis öffentlichen Nahverkehr, die gratis Nutzung eingeführt haben. Ja, was geschieht mit dem Personal? Ja, das Personal bleibt, das wird umgeschult und das wird in Zukunft in den Zügen präsent sein, Informationen zu geben für die Sicherheit der Kundendaten oder zum Beispiel behilflich zu sein bei Leuten, die gewisse Bindungen haben.

François Bausch: Also, ich bin kein Befürworter von leeren Bahnhöfen und leeren Zügen. Ich glaube schon, dass die menschliche Präsenz von Beamten oder von Angestellten der Bahn dort sehr wichtig ist. Die machen nur was anderes, machen eigentlich etwas viel Sinnvolleres als früher.

Alf: Ja, das ist sehr wichtig gewesen, was du jetzt der Corinna gesagt hast. Ich habe noch zwei Fragen regionaler Natur. Wir wohnen ja hier in der Region Trier. Trier ist, sagen wir mal, zu Luxemburg, ähnlich wie früher, auch politisch nicht, aber vom Reichtum und von der Armut her betrachtet wie die DDR zu Deutschland. Wäre es denn möglich, dass ihr in Luxemburg euren kostenfreien oder beitragsfreien ÖPNV ein Stück weit ausdehnen wird? Du hast eben gehört, die Tanja, die erzählt hat, dass sie jetzt das 49-Euro-Ticket dazu gekauft hat, damit sie nach Luxemburg kommt, etwas günstiger und hier vielleicht auch ein paar Möglichkeiten hat. Ich träume schon in Trier von einem kostenfreien ÖPNV. Und wenn ich mir so die Gesamtfinanzierung des ÖPNV hier anschaue, dann sind wir gar nicht so weit davon entfernt. Ich habe dich einmal gehört auf einem Vortrag, da hast du vorgerechnet, wie viel wir Deutschen schon ohnehin ausgeben. Und dann bleiben gelinde gesagt kaum noch große Summen übrig, die der Fahrgast beitragen muss. Wie kämen wir oder wie kommen wir dahin? Könnte man es sich so stückchenweise nach Deutschland ausdehnen, dass ihr so quasi anfangen würdet, zuerst mal alles, was von Trier oder von Schweich oder von Bitburg nach Luxemburg, kostenfrei?

Alf: Ich meine, vielleicht ist es ja heute schon so, aber dass es dann auch wirklich legalisiert kostenfrei wäre, nach Luxemburg zu kommen. Und dann dehnen wir das schrittweise aus.

Alf: Also wie ein. Tsunami.

François Bausch: Der gratis Zugang zum öffentlichen, deshalb betone ich auch immer Nahverkehr. Man muss ja sehen, das macht ja nicht überall Sinn. Also zum Beispiel, was ich nicht sehr zielführend finde, wäre jetzt zu sagen, in ganz Deutschland machen wir einfach die Bahn umsonst, glaube ich, ist nicht sehr zielführend. Aber in Ballungsgebieten kann es schon Sinn machen. Und vor allem, wie du gesagt hast, wenn man schaut, was ist überhaupt der Kostenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs heute schon? Das wird ja über Steuern immer noch finanziert. Die Bürger zahlen ja noch was dafür. Es ist ja nicht das, was es umsonst gibt es nichts. Auch in Luxemburg.

Alf: Wir sind zurzeit bei 33,8 Prozent.

François Bausch: Genau. Wenn du den Kostendeckungsgrad schaust, der ist sehr schlecht eigentlich. Und im Grunde muss man den öffentlichen Nahverkehr sehen, glaube ich, als ein wichtiger Bestandteil einer Dienstleistung, die die öffentliche Hand der Gesellschaft anbietet. Heute ist mobil sein in seiner Region ist ja eigentlich so wie das ist für mich wie Zugang zu einem bezahlbaren Wohnraum, ist ja auch ein anderes Thema überall, auch in Luxemburg oder Zugang zu Wasser, was auch immer. Und was es ist eine Grunddienstleistung, die die öffentliche Hand anbieten müsste. Und deshalb stellt sich die Frage für mich von der Finanzierung über ein Ticket im Nahverkehr eigentlich nicht. Ich finde, dass das eine falsche Debatte ist. Man soll das über Steuern finanzieren. In Frankreich gibt es zum Beispiel ein Modell, da gibt es in den Regionen so eine Transportsteuer, nennen die Franzosen die, die wird genutzt ausschließlich zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in der Region. Und so was ähnlich können wir uns, kann ich mir auch vorstellen eines Tages für Luxemburg, so eine wirkliche Steuer, die man einzieht, wirklich grundsätzlich öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel zu finanzieren. Also wie gesagt, es geht darum, auch zu differenzieren. Das heißt, deshalb, wenn ich in Deutschland gefragt werde, wo macht es Sinn?

François Bausch: Sag ich immer, es macht keinen Sinn jetzt von Berlin nach München, ICE umsonst zu machen ist Quatsch. Aber für ein großes Ballungsgebiet wie Frankfurt oder Berlin, was weiß ich, im richtigen Nahverkehr kann es schon durchaus sinnvoll sein oder mindestens sehr günstig zu machen. Und jetzt zu deiner Frage, jetzt Luxemburg Richtung Trier. Wir sind natürlich sehr offen zu diskutieren. Ich habe jetzt Diskussionen jetzt als Beispiel Richtung Saarbrücken, da haben wir ja einen Bus, eine Busverbindung, weil es keine ordentliche Zugverbindung gibt. Und da gibt es jetzt eine Initiative von der Verkehrsministerin in Saarland, ob wir nicht akzeptieren würden, dass das 49-Euro-Ticket auch in diesem Bus gültig ist. Bin ich ganz klar dafür, dass der Bus, der von Luxemburg aus organisiert wird. Es gibt ähnliche Initiativen jetzt. Ich habe mit den Grenzregionen, jetzt Grenzgemeinden, Kommunen, Diskussionen, ob wir nicht den Gratisverkehr erweitern bis über die Grenze in diese Ortschaft, weil die haben ja auch das Problem, dass dann die Leute dort parken... Also die Ortschaft zu parken und zu Fuß über die Grenze. Also es gibt jetzt abenteuerliche Herangehensweise, nichts mehr zu zahlen. Das muss man schauen. Und es gibt wahrscheinlich auch noch andere kreative Möglichkeiten, zu schauen, wie können wir in der Zusammenarbeit dafür sorgen, dass die Tarifikation auch auf der deutschen Seite bis Richtung Trier günstiger wird?

François Bausch: Ganz klar, da muss man schon darüber reden und da sind wir auch bereit, unseren Beitrag zu leisten. Luxemburg organisiert ja sehr viele Busse bis Bitburg, also bis es in Deutschland reingeht, von Luxemburg aus finanziert werden. Und da bin ich auch schon bereit, über solche Sachen zu diskutieren.

Alf: Ja, wir haben ja eine Menge Leute, die jeden Tag rüberfahren, jeden Tag und jeder Autofahrer weniger ist, weniger auf der A3. Absolut. Und ich denke, das wäre eine tolle Möglichkeit, ein Stück voranzukommen.

François Bausch: Und vielleicht noch ein letztes Argument auch gegenüber gut organisiertem öffentlichen Nahverkehr ist das Standortargument. Heute ist der öffentliche Verkehr insgesamt oder Mobilität, mobil sein, eine gute Mobilität wird immer mehr zu einem wichtigen Standortfaktor. Europa hat ja insgesamt Probleme mit Arbeitskräften und so und ja, die Attraktivität eines Standortes, zum Beispiel Wirtschaftsstandort Luxemburg, hängt sehr viel damit zusammen, wie attraktiv auch die Lebensqualität und die Mobilitätsqualität insgesamt ist. Und da spielt natürlich öffentlicher Verkehrs oder ein multinationales Konzept auch eine große Rolle. Für mich ist es ein Standortfaktor. Also für mich ist gute Verkehrspolitik, ist ein knallharter Standort, ist mindestens so wichtig wie das Steuersystem, das man hat.

Corinna: Alf, bist du zufrieden mit den Antworten?

Alf: Ich bin sehr glücklich. Vor allen Dingen hat jetzt die Antonius Kirche uns ja wirklich dann den...

Corinna: Heiligen Segen gegeben.

Alf: Im Staccato deine letzte Aussage hier unterstützt. Das ist sehr wichtig. Ich denke, wir haben das Wesentliche besprochen.

Corinna: Ich würde eine Sache... würde ich ihn gerne noch fragen. Wir haben gehört, am 8. Oktober sind bei euch Parlamentswahlen. Wie ist da deine Perspektive auf diese Wahlen? Auch ganz persönlich. Was hast du vor?

François Bausch: Also zuerst mal, ich habe ja in, das habe ich immer gesagt, Ministeramt darf nicht zur Gewohnheit werden. Ich hatte eine unglaubliche Chance. Die Bürger und Bürgerinnen haben mir die Möglichkeit gegeben, zehn Jahre hintereinander Verkehrsminister zu sein. Und ich habe immer gesagt, nach zehn Jahren ist Schluss. Muss ich was anders machen? Ich werde aber Kandidat sein für das Parlament und ich werde auch kämpfen auf der trotzdem guten Bilanz, die wir in Luxemburg als Grüne haben, damit meine Partei diese Wahl gewinnt und auch in der Regierungsverantwortung bleibt. Weil es schon, wir haben jetzt so einen guten Lauf, zum Beispiel in der Verkehrspolitik, wäre es schade, wenn der abgebremst wird. Und dann werde ich natürlich mein Abgeordnetenmandat, wenn ich eins bekomme, übernehmen. Aber ich möchte dann … Zehn Jahre Verantwortung ist genug, finde ich. Ich bin kein, ich bin ein ferventer Anhänger. Regierungsverantwortung, wenn man alles gibt zu 100 %, nach zehn Jahren, da muss man eine Pause machen, mindestens.

Corinna: Aber wer soll denn ran? Wer soll's denn machen?

François Bausch: Also das sehe ich kein Problem mit. Meine Herangehensweise war auch immer, dass ich meine Partei, junge Leute, ja, aufgebaut habe. Wir haben sehr gute jüngere Kandidaten und wir haben eine Spitzenkandidatin. Diesmal bin ich ja nicht Spitzenkandidat für die Wahl. Diesmal der Grüne in Luxemburg, sondern ist die Sam Tanson. 45 Jahre alt ist der aktuelle Wirtschaftsvizeminister eine tolle Frau, die ich sehr stark unterstütze und auch unterstützen werde jetzt in diesem Wahlkampf. Aber wir haben noch andere jüngere Kandidaten, der François Benoît, der ist Abgeordneter, zum Beispiel sehr stark interessiert in der Verkehrspolitik. Ein sehr dynamischer junger Mann. Wir haben sehr gute Frauen. Wir haben in Luxemburg übrigens, da bin ich auch sehr stolz darüber, wir haben eine Fraktion, wir haben die Männerquote ist nicht mehr respektiert. Wir haben sechs Frauen und drei Männer in der Fraktion und wir haben im Grunde jetzt viele junge Frauen auch, die bei uns in Startlöchern stehen, Verantwortung zu übernehmen. Also ich bin eigentlich sehr zufrieden. Ich habe das erreicht, auch für meine Partei, was ich mir immer gewünscht habe, dass ich nicht einfach sage: „Ja, das war es schon, aber schau mal, dass ihr klarkommt. Jetzt... die Partei ist sehr gut aufgestellt und ich mache mir gar keine Sorgen, dass wir da einen Nachfolger finden.

Corinna: Und wir freuen uns. Also wir wünschen euch wirklich alles, alles Gute und es war so wunderbar, oder? Dass wir die erste Ausgabe mit dir machen durften, aufzeichnen durften. Das war, glaube ich, eine ganz tolle Entscheidung. Und jetzt geht's gleich weiter. Ja, für dich.

François Bausch: Ja, ich muss jetzt ja ein bisschen weit oben ins Ösling und in den hohen Norden in Luxemburg fahren. Da habe ich mit dem Claude Turmes zusammen, da weihen wir eine Supercharger-Station ein für Elektroautos. Wir haben das auch öffentlich organisiert über das ganze Land. 90 Supercharger-Stationen, weil wir Elektromobilität sehr stark fördern, mit auch jetzt sehr viel Erfolg. Inzwischen ist in Luxemburg, bei der Neuwagenanschaffung sind wir inzwischen bei fast 30 Prozent der Elektroautos angegangen.

Corinna: Toll. Einfach leben. Erste Ausgabe. Ganz toll. Bis bald. Hört wieder rein. Tschüss. Tschüss.

Alf: Tschüss

Alf: tschüss, François.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.